Zur Lage der Studierenden an der Universität Tübingen

HörsaalEin wütender Essay.
Dienstagabend. Hörsaal 25. 700 Studierende der Anglistik zwängen sich in den größten Hörsaal der Uni, was hier abläuft ist nicht etwa der Versuch, zu überprüfen, wie viele Studierende tatsächlich in den Hörsaal passen oder eine Feldexperiment, ab wann Klaustrophobische Reaktionen bei Menschenmassen auftreten, dieses Bild ist das ganz normale Bild einer Erstsemestervorlesung im Fach Anglistik im Wintersemesetr 2009/2010. „Skandalös“, mehr fällt einem Studierenden dazu nicht mehr ein und auch der Dozent, der im Ringen mit der Menge und der Technik schier zu kapitulieren scheint, ist nicht nur erschüttert von der Situation, sondern auch nicht in der Lage seinen Studenten eine Lehre anzubieten, die einer Universität angemessen wäre. Die Erstsemesterzahlen in den Fächern Anglistik/Amerikanistik, Germanistik und Romanistik sind nicht nur enorm, sie sind katastrophal. Eine verkorkste Politk des Rektorats und des Wissenschaftsministeriums sind Schuld an dieser Situation. Dort, wo Studierende nur noch als zahlenmäßige Größe gesehen werden und Studienplätze Fallzahlen darstellen, dort ist kein Platz für eine Verbesserung von Lehre, für eine individuellere Betreuung oder schlicht ein anständiges Studium. Diese Ausnahmesituation, dass 700 Studierende sich in einen Hörsaal zwängen ist nicht bloßer Sonderfall, sie wird ein Vorspiel. Wenn jetzt nicht gegen gesteuert wird, dann werden spätestens im Jahr 2012 mit dem doppelten Abiturjahrgang Freiluftvorlesung und Ausweichlösungen nicht mehr die Ausnahme sondern die Regel.

Der Hintergrund dieses Versagens ist, dass anders als in den letzten Semestern nicht mehr der numerus clausus für die Erstsmesterstudierenden gilt. Während bisher ca. 300 Studierende einer Einführungsvorlesung beiwohnten und bis zu ihren Abschlüssen als Bachelor und Lehramt geführt wurden, sind es in diesem Semester 701 (siebenhundertundeins) Studierende, die nach Tübingen kamen, in der Erwartung sie würden hier unter guten Lernbedingungen ihr Studium beginnen können. Doch was die Universität ihnen zeigt ist mehr als die kalte Schulter. Der Dozent, der sich von dieser Menge von Studierenden schier überrannt sah, konnte sich nur dafür entschuldigen, dass es aus seiner Sicht nicht möglich ist, 700 Studierende eines Jahrgangs bis zum Studienabschluss zu führen. 470, wie vom Rektorat beschlossen, war eine Zahl die durchaus von den Dozenten und Mitarbeitern der Anglistik zu stemmen gewesen wären, auch wenn die eigentlichen Kapazitätszahlen nur Raum für etwa 330 Studierende gelassen hätte. Nun also 701, das bedeutet nicht nur mehr als 150% Auslastung zu der vom Rektor und seinen Prorektoren ohne Rücksprache mit den Betroffenen beschlossenen Kapazität, nein, es bedeutet 254 % mehr als noch im letzten Wintersemester aufgenommen wurde. Damals konnten sich 276 Studierende glücklich schätzen in Tübingen aufgenommen zu werden und obwohl es einer Studierendenvertretung nie gut zu Gesicht steht einen NC zu verteidigen, konnte man damals den Studiengang auch noch Studieren. Heute sieht es dagegegen so aus, dass für 701 Erstsemester schon realistisch betrachtet nie die Möglichkeit besteht ihr Studium zu Ende zu führen. Weder Seminarplätze noch spätere Betreuungsmöglichkeiten für Bachelorarbeiten stehen in ausreichender Zahl zur Verfügung, als das es realistisch wäre allen Studierenden auch ein Studienabschluss zu garantieren. Dieses Ergebnis einer verfehlten Politik ist einmal mehr Beleg dafür, dass das tübinger Rektorat nicht in der Lage ist eine nachhaltige Hochschul- und Studienpolitk zu betreiben und dass eine wirksame Interessenvertretung gegenüber dem Ministerium in Stuttgart Fehlanzeige ist.

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