Die verfasste Studierendenschaft

Mundtot - ohne verfasste Studierendenschaft
Mundtot - ohne verfasste Studierendenschaft

Sie ist wieder da – zumindest in aller Munde. Seit einer Thematisierung des bei bayerischen und baden-württembergischen Kultusministerien unbeliebten Themas durch die studentischen Senatoren der Universität Hohenheim, scheint der Diskurs wieder eine breitere Öffentlichkeit zu begeistern. Selbst die aktuelle DIE ZEIT widmet der verfassten Studierendenschaft einen großen Artikel. Der Hohenheimer Rektor und Vorsitzender der Universitäten der Hochschulrektorenkonferenz Hans-Peter Liebig (HRK) griff die Diskussion  auf und sorgte damit für eine Thematisierung beim Bologna-Kongress am 8.März in Stuttgart. „Die Mitwirkungsrechte der Studenten an Hochschulleben müssen gestärkt werden“, so Liebig, und befürwortet eine verfasste Studierendenschaft als Gesprächspartner. Glaubt man ihm, so finden sich in der HRK viele ähnlich Gesinnte. Im Mai soll das Thema auf den Tisch. Wissenschaftsminister Frankenberg scheint wenig angetan von der aufflammenden Debatte. Er beschränkt das Problem auf die Frage der studentischen Mitbestimmung, und die sei auch ohne den Körperschaftsstatus zu leisten. Dies ist sein Credo, und er wiederholt es trotzig und ohne hinreichende Begründung, sei es auf dem Bologna-Kongress oder im Gespräch mit Studierendenvertretern am vergangenen Mittwoch. Damit lässt er nicht nur die vielen Aspekte der verfassten Studierendenschaft unter den Tisch fallen, sondern suggeriert eine ausreichende Beteiligung der Studierenden in den universitären Gremien.


Was ist die verfasste Studierendenschaft und warum ist sie den Studierenden so wichtig? Bisher wird sie nur den baden-württembergischen und bayerischen Studis vorenthalten. Sie behelfen sich mit unterschiedlichsten Modellen, um eine echte Vertretung studentischer Interessen wahrzunehmen. In Tübingen vertritt die Fachschaftenvollversammlung die Interessen, die über das gesetzliche Mieder des AStAs hinaus gehen.

Den Studierenden geht es um die Unabhängigkeit vom Rektorat. Bisher werden die Beschlüsse des AStAs vom Rektor vollzogen. Derr AStA kann so seine gewerkschaftliche Aufgabe nicht wahrnehmen, steht er doch genauso in der Abhängigkeit der Lehrenden wie jeder andere Studierende. Außerdem ist so keine eigenständige Verwaltung und Vergabe von Geldern möglich, die für studentische Gruppen und Projekte gedacht sind. Der Umweg über die Unibürokratie ist umständlich und kostet Geld. Ganz zu schweigen davon, dass die Studierenden keine eigenen Beiträge erheben dürfen, wie z.B. das Studentenwerk, um ein eigenes Beratungs- und Unterstützungsangebot aufzustellen. Auch Verträge können sie ohne Körperschaftsstatus nicht abschließen. All das schwächt die ohnehin schon abhängige Position der Studierenden an der Universität. Eine verfasste Studierendenschaft würde die Demokratie an den Hochschulen ausbauen und ihnen den Geist zurückgeben, in dem sie nach dem 2. Weltkrieg erdacht waren. Eine mündige Studierendenschaft könnte sich zu politischen Themen äußern, und am politischen Prozess als legale Kraft teilnehmen.

Gegner der Verfassten Studierendenschaft argumentieren gegen eine Zwangsmitgliedschaft dieser „studentschen Gewerkschaft“. Sie ignorieren allerdings, dass es in Opting-out-Modellen möglich ist, aus der Studierendenschaft auszutreten und das Studentenwerke schon immer mit Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen arbeiten. Sie befürchten außerdem eine Bevorzugung der Gruppe „Studierende“ in der Universität mit dem besonderen Status. Die größte Angst scheint sich aber hinter dem Begriff  „allgemeinpolitisches Mandat“ zu verstecken. Die Erlaubnis der Studierendenvertreter legal am demokratischen Prozess teilzunehmen wird mit Blick auf die 68er versagt. Studierende tragen hier scheinbar eine Kollektivschuld.