Stellungnahme zu Juniordozenturen

Sehr geehrte Senator_innen, sehr geehrtes Rektorat,

zum ersten Mal sind an der Universität Tübingen sieben W1-Juniordozenturen ausgeschrieben worden (vgl. Drs. 80 zur Senatssitzung am 21.7.2011). Nach ersten Informationen in der Strukturkommission sollten es sogar 8 Stellen sein, die ein Lehrdeputat von 8 SWS bekommen sollten. Es ist aber in §2 (1), 4. der Lehrverpflichtungsverordnung (LVVO) des Landes festgelegt, dass Juniordozent_innen nach §51a des Landeshochschulgesetzes (LHG) mindestens 12 SWS Lehre leisten müssen und wir gehen daher davon aus, das man mit dieser Untergrenze arbeiten wird.

Die Ausschreibungen der Juniordozenturen sind auch universitätsintern erst mit ihrer Veröffentlichung auf der Universitäts-Homepage bekannt geworden. Die in §19 (1), 6. des LHG vorgeschriebene Stellungnahme des Senats zur Funktionsbeschreibung der Stellen wurde nicht eingeholt.

Die im vorhinein übergangene universitäts-interne Debatte zum Thema Juniordozenturen möchten wir als Studierende, wissenschaftliche und nicht wissenschaftliche Mitarbeiter_innen nun wenigstens im Nachhinein anstoßen und so Klarheit über den Umgang mit solchen Stellen und auch den zukünftigen Stelleninhaber_innen schaffen.

Zunächst möchten wir klarstellen, dass wir die Einwerbung von Mitteln für die Lehre – in diesem Fall aus einem zeitlich begrenzten Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – grundsätzlich begrüßen und auch die Notwendigkeit einer weiteren Stützung von Grundlehre und Propädeutika sehen. Gleichzeitig sehen wir aber auch einige kritische Punkte, die unserer Meinung nach eigentlich einer vorherigen Klärung in einer ergebnisoffenen Debatte bedurft hätten, bevor man überhaupt über die Nutzung des Stellentyps „Juniordozentur“ nachdenkt. Daher wollen wir zumindest unseren Standpunkt darlegen und formulieren, was bei einer Nutzung von Juniordozenturen auf jeden Fall beachtet werden muss.

Wir fordern zunächst, dass Lehre und Forschung eine gleiche Behandlung erfahren. Das bedeutet für uns, dass eine Juniordozentur genauso behandelt wird wie eine Juniorprofessur. Insbesondere muss auch die Ausschreibung von Juniordozenturen in der Strukturkommission diskutiert und vom Senat hierzu explizit Stellung genommen werden. Die Auswahl hat in einer von allen Gruppen besetzten Kommission analog einer Berufungskommission stattzufinden. Darüber hinaus sollte für eine Juniordozentur ebenso wie für eine Juniorprofessur oder jede andere zeitlich befristete Professur (Stiftungsprofessuren, BMBF-Programme etc.) eine dauerhafte Perspektive an der Universität ermöglicht werden. Dazu gehört, dass das Rektorat, wie sonst auch üblich, von den Fachbereichen bzw. Fakultäten verlangt, eine Stelle zur Ablösung zu benennen. Dazu gibt es in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät bereits einen entsprechenden Beschluss, im Sinne einer Gleichbehandlung möchten wir nochmals auf ein aktives Nachfragen von Seiten des Rektorats hinwirken. Ebenso gehört für uns zur Gleichbehandlung von Lehre und Forschung, dass Juniordozent_innen selbstverständlich – wie alle anderen Hochschullehrer_innen auch – in die Strukturen von Fachbereich, Fakultät und gesamter Universität eingebunden werden.

Als zweiten kritischen Punkt sehen wir, dass Juniordozenturen eigentlich als Qualifikationsstellen für Hochschuldozenturen gedacht sind, d.h. für analoge Dauerstellen mit einem Lehrdeputat von 12 bis 18 SWS. Diese Stellen gibt es aber faktisch nicht, eine dauerhafte Perspektive bietet sich Juniordozent_innen also nur, wenn sie sich neben der Lehre auch in der Forschung weiterhin (bis hin zu einer Habilitation) qualifizieren können. Dazu muss unserer Meinung nach eine Anschlussmöglichkeit an eine Arbeitsgruppe gewährleistet werden, d.h. Infrastruktur muss genutzt und Forschungsarbeit diskutiert werden können. Außerdem muss sichergestellt sein, dass für die Betreuung von Tutorien und die Korrektur von Übungen, Hausarbeiten und Klausuren Hilfskraft-Mittel zur Verfügung stehen, damit Forschung auch zeitlich ermöglicht wird.

Als dritten Punkt sehen wir die Form der Ausschreibung – insbesondere der beigelegten – kritisch. Hier werden für sechs vollkommen verschiedene Bereiche Stellen ausgeschrieben, ohne klarzustellen, was fachlich genau abzudecken ist, wie die Aufgaben der einzelnen Stellen konkret aussehen werden und wie viel Lehre jeweils zu leisten sein wird. Genau das sind aber Kriterien, die erwähnt werden müssten, um sinnvolle Bewerbungen überhaupt erst möglich zu machen. Wie fordern daher in Zukunft einzelne Ausschreibungen für jede Stelle, in denen statt diverser nichtssagender Füllwörter („Innovationsfreude“ etc.) ein klares Aufgaben- und Anforderungsprofil formuliert wird und Anschlussmöglichkeiten in Lehre und Forschung aufgezeigt werden.

Wir fordern also den Senat und das Rektorat auf:

(1) eine ernsthafte Diskussion zu führen, ob Juniordozenturen überhaupt für die Lehre dauerhaft sinnvoll sind;
(2) so sie eingerichtet werden, diesen Schritt dann in der Form ernst zu nehmen, dass die Lehre auf allen Ebenen mit der Forschung gleichgestellt wird;
(3) sich konkrete Gedanken um die Zukunftsperspektive der Juniordozent_innen über die Befristung ihrer Stelle hinaus zu machen;
(4) eine Weiterqualifizierung auf dieser Qualifikationsstelle auch wirklich zu ermöglichen, was an einer Universität Lehre UND Forschung beinhaltet;
(5) mit all den bereits genannten Maßnahmen und einer sinnvollen Ausschreibung eine bestmögliche Besetzung der Stellen zu ermöglichen.

Mit freundlichen Grüßen,

Michael Bonin
Alexandra Förster
Daniel Gottschall
Susanne Hempel
Nina Klett
Doris Kloos
Heike Moser
Joachim Ostwald
Sonja Völker