Offener Brief: Rücktritt aus der Kommission zur Erörterung der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel

Sehr geehrter Herr Rektor Engler,
sehr geehrte Frau Prorektorin Amos,

wir erklären hiermit unseren Rücktritt aus der Kommission zur Erörterung der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel an der Eberhard Karls Universität Tübingen.

Anlass für unseren Rücktritt ist, dass eine der zentralen im September 2013 zwischen Vertreter_innen des Rektorats und der Studierenden ausgehandelten – und einvernehmlich beschlossenen – Schlichtungsvereinbarungen zur Vergabe der Qualitätssicherungsmittel schon jetzt universitätsseitig unterlaufen werden soll.

Die Schlichtung war notwendig geworden, weil in den beiden Vorjahren zwischen Studierenden und Rektorat in einigen Punkten kein Einvernehmen über die Vergabe der Qualitätssicherungsmittel erzielt worden war. Im Zuge der Schlichtung wurden alle konkreten Streitpunkte einvernehmlich geklärt und Kompromisse zwischen den gegensätzlichen Positionen ausgehandelt. Ferner wurde vereinbart, für die Zukunft gemeinsam eine Leitlinie zur Vergabe der Qualitätssicherungsmittel zu erarbeiten, die grundsätzliche Fragen klären sollte, in denen Studierende und Rektorat unterschiedliche Positionen vertraten. Dieses Schlichtungsergebnis war geeignet, nicht nur kurzfristig die Mittelvergabe zu ermöglichen, sondern auch ein neues Vertrauensverhältnis zwischen den beiden beteiligten Parteien herzustellen.

Dass nun geplant wird, eine der zentralen Zusagen des Rektorats, die in der Schlichtungsvereinbarung festgehalten wurden, schon wenige Monate später zu unterlaufen, stellt aus unserer Sicht einen gravierenden Vertrauensbruch dar. In der Schlichtung war zugesagtworden, eine Verwaltungsstelle in einer Fakultät, mit deren Finanzierung aus Qualitätssicherungsmitteln die Studierenden nicht einverstanden sind, künftig aus anderen Mitteln zu finanzieren. Tatsächlich soll diese Zusage nun aber durch eine reine Kreisbuchung ausgehebelt werden: Die Stelle wird nicht mehr aus Qualitätssicherungsmitteln finanziert, die freiwerdenden Mitteln werden den Instituten der Fakultät zugewiesen, zugleich wird den Instituten jedoch der Haushalt gekürzt und nahegelegt, die Kürzungen aus den zusätzlich fließenden Qualitätssicherungsmitteln aufzufangen. Dieses Vorgehen widerspricht offenkundig dem Sinn der Schlichtungsvereinbarung. Die Studierenden hatten der Finanzierung zahlreicher Verwaltungsstellen aus Qualitätssicherungsmitteln widersprochen, weil die Qualitätssicherungsmittel für Lehre und nicht für die Verwaltung zur Verfügung stehen. Nachdem in der Schlichtung bei nur 1,5 Stellen das Rektorat sein Einverständnis erklärt hat, diese nicht mehr aus Qualitätssicherungsmitteln zu finanzieren, kann dem nicht damit Genüge getan werden, für eine volle Stelle ein paar Geldtöpfe umzudeklarieren, de facto aber dieselbe Verteilung der Mittel weiterzuführen wie bisher.

Zugleich ist in diesen Tagen für die Studierenden zum wiederholten Male erkennbar geworden, dass die Priorisierung von Anträgen der Institute, für die ein Einvernehmen mit Studierenden hergestellt wird, in der Umsetzung nicht eingehalten wird. Wir glauben den Aussagen derZentralen Verwaltung, dass diese die Institute über den Sinn der Priorisierung informiert. Solange die Institute die Mittel dann aber beliebig ausgeben können, ohne die Priorisierungen zu beachten, und dies seitens der Zentralen Verwaltung nicht unterbunden wird, muss sich unsere Beschwerde zumindest auch an das Rektorat und die Zentrale Verwaltung richten.

Wenn dies die Art und Weise der Universitätsleitung ist, mit dem Einvernehmen der Studierenden und nun sogar mit einem von beiden Seiten unterzeichneten Schlichtungsergebnis umzugehen, sehen wir für eine weitere Zusammenarbeit in der Kommission zur Erörterung der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel keine Grundlage mehr. Sowohl die Erörterung der Mittelvergabe für 2014 als auch die Erarbeitung einer Leitlinie für die Zukunft sind nur dann sinnvoll, wenn getroffene Vereinbarungen auch umgesetzt werden. Ansonsten ist die Arbeit daran weder unsere Zeit noch die der Universitätsleitung wert.

Überhaupt ist das an unserer Universität praktizierte, für alle Beteiligten – von den Lehrenden und Studierenden aller Institute über zahlreiche Mitarbeiter_innen in der Verwaltung bis hin zum Rektorat – extrem zeitaufwändige Vergabeverfahren nur dann berechtigt, wenn es sich dabei um ein echtes Beteiligungsverfahren handelt. Wenn die Verausgabung der Mittel nicht gemäß dem hergestellten Einvernehmen erfolgt, kann man sich den immensen Zeit- und Papieraufwand sparen und die Mittel

einfach nach einem von der Universitätsleitung festgelegten Schlüssel den Haushalten der Fakultäten, Institute und Zentralen Einrichtungen zuweisen.

Wir, die unterzeichnenden Studierendenvertreter_innen, stehen für das bisher praktizierte Verfahren, das eine Beteiligung der Studierenden nur scheinbar gewährleistet, nicht mehr zur Verfügung. Unsere Einbindung in der Kommission zur Erörterung der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel stellt für die tatsächliche Verwendung der Mittel, mit der wir nicht einverstanden sind, eine vermeintliche Legitimation her, für die wir uns nicht länger einspannen lassen möchten.

Unser Rücktritt sowie diese Erklärung sind mit dem Studierendenrat und (über die Fachschaftenvollversammlung) mit den Studierendenvertretungen in den Fächern abgestimmt und finden deren Unterstützung.

Da innerhalb der Universität Tübingen die Möglichkeiten, zu einer Lösung der Probleme zu kommen, ausgeschöpft sind, bitten wir das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst um eine Mediation. Diese braucht Zeit und kann nur auf die Zukunft gerichtet sein. Für dasJahr 2014 bitten wir das Ministerium, die Anträge auf Qualitätssicherungsmittel zu prüfen und für die aus Sicht des Ministeriums zustimmungsfähigen Anträge das Einvernehmen der Studierenden zu ersetzen.

Immer wieder argumentiert die Universitätsleitung uns gegenüber damit, dass eine andere Verwendung der Qualitätssicherungsmittel angesichts der extrem knappen Haushaltslage der Universität nicht möglich sei, man also nur auf Sachzwänge reagiere, die sich aus der strukturellenUnterfinanzierung der Hochschule ergäben. Uns fehlt der detaillierte Einblick in den gesamten Universitätshaushalt, der erforderlich wäre, um diese Aussage im Einzelnen zu überprüfen. Sollte die Universitätsleitung jedoch tatsächlich vor einer solchen Alternativlosigkeit stehen – was uns durchaus denkbar erscheint – so fordern wir das Rektorat auf, mit diesen Sachzwängen universitätsintern so ehrlich umzugehen, dass auf das bisher praktizierte Antrags- und „Beteiligungs“-Verfahren bei der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel verzichtet wird.

Zugleich fordern wir das Rektorat dann auch dazu auf, sich mit uns gemeinsam an das Land Baden-Württemberg und die Öffentlichkeit zu wenden und sich über diese gravierenden Missstände zu beschweren. Bei der Abschaffung der Studiengebühren und der Einführung der

Qualitätssicherungsmittel hat das Land versprochen, die Qualitätssicherungsmittel seien ausschließlich für die Sicherung der Qualität in der Lehre bestimmt und würden mit weitreichender Beteiligung der Studierenden vergeben – was auch einen entsprechenden Entscheidungsspielraum voraussetzt. Wenn das Land der Universität diesen Umgang mit denMitteln strukturell unmöglich macht, müssten sich alle Akteur_innen der Universität gemeinsam darüber beklagen. Wir wären in diesem Fall bereit, gegenüber dem Rektorat unser Einvernehmen zu jeglicher Vergabe der Qualitätssicherungsmittel innerhalb der Universität Tübingen auszusprechen. Wir fordern jedoch zumindest so viel Aufrichtigkeit ein, die Sachzwänge, in die unsere Universität gedrängt wird, öffentlich beim Namen zu nennen.

Als vom Studierendenrat benannte Ansprechpartner_innen stehen wir für Gespräche weiterhin zur Verfügung. An dem bisher praktizierten Vergabeverfahren der Universität Tübingen werden wir uns jedoch nicht mehr beteiligen.

Mit freundlichen Grüßen

die  studentischen  Mitglieder  und  stellvertretenden  studentischen  Mitglieder  der  Kommission  zur Erörterung der Vergabe der Qualitätssicherungsmittel an der Universität Tübingen:

  • Caroline Arnold
  • Martin Brüssow
  • Kim Dienelt
  • Christin Gumbinger
  • Pia Kramer
  • Martin Kroczek
  • Jonas Möschel
  • Agathe Mulot
  • Sonja Völker
  • Inka Wolf
  • Kontakt: ga@fsrvv.de

zusätzliche Informationen für die Presse und die interessierte Öffentlichkeit:

Die Qualitätssicherungsmittel wurden 2011 im Zuge der Abschaffung der Studiengebühren eingeführt.

Sie sollten für die Hochschulen als Kompensation der nunmehr fehlenden Studiengebühren dienen.

Während bei der Vergabe der Studiengebühren lediglich ein Benehmen mit einer Vertretung der Studierenden erforderlich war, werden die Qualitätssicherungsmittel laut Qualitätssicherungsgesetz im Einvernehmen mit einer Vertretung der Studierenden vergeben. Die Details des Vergabeverfahrens regeln die Hochschulen selbst. Für den Fall, dass kein Einvernehmen erzielt wird, ist ein Schlichtungsverfahren vorgesehen. Führt auch eine Schlichtung zu keinem einvernehmlichen Ergebnis, kann das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst das Einvernehmen ersetzen.

Die Hochschulen müssen die Qualitätssicherungsmittel zweckgebunden für Studium und Lehre verwenden. Eine Umfinanzierung von Lehre, die bisher von Inhaber_innen staatlich finanzierter Stellen erbracht wurde, in aus Qualitätssicherungsmitteln finanzierte Lehre wird ausgeschlossen. Die Mittel sollen, so Wissenschaftsministerin Bauer bei deren Einführung, „einer höheren Qualität in Studium und Lehre“ dienen (vgl. die angehängte Pressemitteilung sowie die Bestimmungen des Qualitätssicherungsgesetzes). Nach unserer Auffassung dürften daher Stellen in der Verwaltung nicht oder nur in eng definierten Ausnahmefällen aus Qualitätssicherungsmitteln finanziert werden. Eine explizite diesbezügliche Anfrage unsererseits an das Wissenschaftsministerium wurde sehr spät und dann ausweichend beantwortet; eine direkte Antwort auf die Frage, ob Verwaltungsstellen finanziert werden dürfen, erhielten wir nicht, geschweige denn ein klares Ja. Wir sehen dadurch unsere Auffassung in dieser Frage bestätigt.

Wissenschaftsministerin Bauer ließ sich bei der Einführung der Qualitätssicherungsmittel mit den Worten zitieren: „Die Landesregierung will, dass die Studierenden bei der Verwendung der Qualitätssicherungsmittel gleichberechtigt beteiligt werden“ (vgl. die angehängte Pressemitteilung). Wenn nicht einmal ein Schlichtungsverfahren, das bei einer Mittelvergabe mit gleichberechtigter Beteiligung die ultima ratio darstellen sollte, zu einem verlässlichen Ergebnis führt, sehen wir derzeit keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit dem Rektorat in dem von der Landesregierung und dem Qualitätssicherungsgesetz formulierten Sinne.