Überraschung: Studiengebühren sind abschreckend

Im Jahr 2006 haben nach einer repräsentativ durchgeführten Untersuchung bis zu 18.000 Abiturienten wegen der in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen eingeführten Gebühren kein Studium aufgenommen. Darunter sind vor allem Frauen und junge Menschen aus so genannten bildungsfernen Elternhäusern. (Heise)

Kürzer kann man die Ergebnisse einer repräsentativen Studie des Hochschul-Informations-Systems (HIS) kaum mehr zusammenfassen. Im Auftrag des Bundesbildungsministeriums, das das Papier seit Sommer unter Verschluss hält, wurden 5240 Studienberechtigte des Abiturjahrgangs 2006 befragt. Weitere Ergebnisse:

Im Vergleich zu 2003 gab es im vergangenem Jahr wegen der starken Abiturienten-Jahrgänge bundesweit zwar 17 Prozent mehr junge Menschen mit Hochschulreife, gleichzeitig aber fünf Prozent weniger Studienanfänger. 2003 war mit 377.500 Neueinschreibungen an den deutschen Hochschulen ein Anfängerrekord erzielt worden. 2007 waren dies mit 358.670 Anfängern knapp 19.000 Neueinschreibungen weniger. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Studienberechtigten um mehr als 63.000 auf 432.500 (Stuttgarter Zeitung)

In diesem Zusammenhang stellen sich die Verantwortlichen selbst ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: Michael Kretschmer (CDU), bildungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, rechtfertigte die Gebühren damit, dass die Hochschulen so schlecht ausgestattet seien, dass sie ganz einfach auf die Gebühren angewiesen seien. (ZDF) Keine Rede mehr davon, dass hier nur die sowieso schon sehr gute Lehre durch frisches Geld weiter verbessert werden solle.

Die Studie soll nun in etwa vier Wochen veröffentlicht werden — lang genug, um den „Bildungsgipfel“ am Mittwoch in den Medien wieder in Vergessenheit geraten zu lassen. Und wir könnten jetzt schadenfroh sagen, wir hätten es ja schon immer gesagt. Aber das Thema ist dafür zu ernst. Also schafft endlich die Studiengebühren ab.

Mehr (unter anderem) bei Stern, Spiegel, der Tagesschau und den oben zitierten.

Edith: Inzwischen wurde die Studie veröffentlicht. Man kann sie hier herunterladen.

Hessen schafft Studiengebühren wieder ab

Mit der Mehrheit von Grünen, Linkspartei und Sozialdemokraten wurden am 3. Juni 2008 die Studiengebühren in Hessen abgeschafft. Das neue „Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit an hessischen Hochschulen“ schafft sowohl allgemeine Studiengebühren als auch Langzeit- und Zweitstudiengebühren ab, ohne dass den Universitäten deswegen Mittel gekürzt werden. André Schnepper, Sprecher des bundesweiten Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren (abs) sieht diesen Schritt in einer Pressemeldung als Zeichen für andere Länder: „Dieser Tag macht deutlich, dass es Alternativen zu Studiengebühren gibt, die man nicht wegdiskutieren kann.“

Überaschend erklärte dann Roland Koch, geschäftsführender Ministerpräsident Hessens, das Gesetz sei „handwerklich unzulänglich“ und verfüge Unsinn, weil laut einer Meldung des HR der Halbsatz fehlte, die Gebühren würden „letztmals für das Sommersemester 2008 erhoben“. Grüne und SPD fragten sich, warm Koch das nicht früher gesagt habe und wollen nun eine Sondersitzung des Parlaments einberufen. FDP-Chef Hahn befand, dass die Schuld bei den Anderen liege, Koch erklärte trotzig: „Wir sind Berater, aber nicht Kindermädchen der Mehrheitsfraktionen“.

Seitdem hat der hessische Staatsgerichtshof die Studiengebühren mit denkbar knapper Mehrheit (6:5) für verfasssungskonform erklärt, ein Student beim Bundesgerichtshof gegen dieses Urteil Verfassungsbeschwerde eingelegt und der hessische Landtag das „Gesetz zur Sicherstellung von Chancengleichheit an hessischen Hochschulen“ beschlossen – zwei Wochen später und mit dem entsprechenden Halbsatz. CDU-Fraktionschef Wagner warnte bei der Gelegenheit vor den „sozialen Folgen“ und befürchtet einen explodierenden Anstieg der Studentenzahlen in Hessen. Und die Welt findet übrigens, dass Hessen nun im Wettbeweb zurückfallen wird und alle gebührenerhebenden Länder „bald mit Quantensprüngen in der Forschung aufwarten werden.“ Seien wir gespannt und erinnern wir nochmal an die Zweckgebundenheit der Gebühren zur Verbesserung der Lehre.