Nach einer Vorlesung im Rahmen des Studium Generale blieben etwa die Hälfte der Zuhörer im Hörsaal 25 einfach sitzen. Bald wurde klar, warum. Banner wurden aufgehängt, Studierende übernahmen das Rednerpult und im Prinzip ging es weiter wie am Mittwoch abend. Sogar Unirektor Engler erschien, begleitet von Prorektorin Stefanie Gropper, zuständig für Studium und Lehre, sowie Kanzler und stellvertretendem Kanzler. Rektor und Prorektorin kamen gerade von einem Gespräch mit
Studierendenvertretern
– auf Nachfrage erläuterte Engler, dass nur Vertreter einer Fachschaft und der FDP-nahen Liberalen Hochschulgruppe
(LHG) gekommen waren.
Party statt Protest

Auf YouTube ist noch ein Video zur Räumung des HS 25 aufgetaucht. Es ist ziemlich gut geschnitten und absolut empfehlenswert.
Obwohl die Besetzer nun also aus dem Kupferbau entfernt wurden, war man sich einig: Jetzt aufzuhören wäre schlicht falsch. Trotz der massiven Polizeipräsenz bei der gestrigen Demonstration wollen die Protestierenden weiter für ihre Sache kämpfen und sich dabei auch durch ungewöhnliche Aktionen und weiter Gehör verschaffen. Das Angebot
des Rektorats, sich mit den machtlosen Vertetern im AStA zusammenzusetzen, wurde nicht weiter diskutiert: Eine der immer wieder aufgetauchten Forderungen war, eine Verfasste Studierendenschaft wiedereinzuführen. Hochschulpolitik fällt nun schon seit über dreißig Jahren nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des AStA – er wird deshalb auch liebevoll als KAStrA bezeichnet.

Während draußen vor dem Clubhaus die Shuttle-Busse der SWR3-Party-Nacht vorbeifuhren, wurden drinnen Pläne geschmiedet, Aktionen geplant und Arbeitskreise eingerichtet, die die detaillierte Planung weiterführen werden. Einige Journalisten und sicher auch der eine oder andere interessierte Vertreter des Gewaltmonopolisten beobachteten die Veranstaltung.
Bildungsdemo in Tübingen

Das durch die Polizei herbeigeführte Ende der Besetzung des Kupferbaus hat Schlagzeilen gemacht. Die Tagesschau vom 12.11.09 zeigt Bilder von Tübinger Studierenden und grün Uniformierten im Kupferbau und berichtet über die seit mehreren Tagen anhaltenden Proteste und Besetzungen in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt. Auch das Tagblatt berichtete über die Vorgänge in Tübingen.
Liebe Frau Schavan!
Dem SWR sagten Sie angesichts der massiven Studierendenproteste in ganz Europa:
Nun die Studentinnen und Studenten erwarten, dass das, was jetzt in der Kultusministerkonferenz vereinbart wurde, auch umgesetzt wird. Sie brauchen klare Signale, dass es Korrekturen bei der neuen Studienstruktur gibt, also Entschlackung der Studiengänge, Verbesserung von Mobilität. Also es ist einfach der Hinweis, dass jetzt klar werden muss, dass das, was jetzt beschlossen wurde, wird auch umgesetzt.
Das klingt jetzt zwar irgendwie ganz gut gemeint, aber das sind nun wirklich nicht die Dinge, die wir am dringendsten brauchen. Zumal wir ja nur ahnen können, was für Sie die Schlacke im Lehrplan ist. Schauen Sie sich doch vielleicht die Forderungen der 270 000 Bildungsstreiker mal an:
Wenn die Argumente ausgehen, hilft die Polizei.

Heute um 6:30 machte das Rektorat seine Drohung war und rückte mit einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei im besetzten Kupferbau an. Die 200 Besetzer lieferten ihnen einen gebührenden Empfang mit Sprechchören wie “Freie Bildung für alle”.
Obwohl Rektor Engler noch am Abend vorher vor laufender Kamera versprochen hatte, von Strafanzeigen gegen die Besetzer abzusehen, drohte der Kanzler den Besetzern mit einem Strafantrag. Daraufhin verließen sie den Kupferbau und zogen mit “Wir sehen uns wieder”-Sprechchören über die Neue Aula in die Innenstadt. Die Spontandemonstration wurde von einem starken Polizeiaufgebot begleitet, die Beamten griffen aber nicht ein.
Rektor Engler sollte sich aber sicher sein, dass diese Bewegung nicht mit der Räumung beendet ist, sondern gerade erst ihren Anfang nimmt. Wir sehen uns wieder. Und zwar schon heute um 13 Uhr zur Demo am Kupferbau!
Kupferbau bleibt besetzt – eigene Homepage
Die BesetzerInnen haben am Sonntag Besuch von ihren Heidelberger KommilitonInnen bekommen. Über das gesamte Wochenende und darüber hinaus war und ist der Kupferbau Anlaufstelle für Interessierte, die das vielfältige politische und kulturelle Programm erleben und mitgestalten wollen. Workshops zu hochschulpolitischen Themen haben dabei genauso ihren Platz wie bunte Abende. Auch für die kommenden Tage ist einiges geplant.
Weitere Infos gibt es ab sofort auf der folgende, extra für die Besetzung eingerichteten, Seite:
Kultur und Politik im Kupferbau
Kupferbau ist besetzt – Besetzung erfährt Solidarität
Seit Donnerstag, dem 05. November um 18 Uhr ist der Kupferbau besetzt und offen für jedeN.
Schon jetzt gibt es zahlreiche Solidaritätsbekundungen:
- Der UStA (Unabhängiger Studierenden-Ausschuss) der Pädagogischen Hochschule Freiburg: Solidaritätserklärung UStA Freiburg
- Das ABS (bundesweites Aktionsbündnis gegen Studiengebühren): Solidaritätserklärung ABS
- Heike Hänsel (Tübinger Bundestagsabgeordnete der Linkspartei) hat sich bereits bei der Vollversammlung in einem kurzen Redebeitrag solidarisch mit der Aktion erklärt. Ebenso war Angela Heynen von der ver.di Betriebsgruppe der Uni-Tübingen vor Ort um den Studierenden Mut zu machen.
- Die Mitgliederversammlung des DGB Tübingen hat sich solidarisch mit der Besetzung und dem Bildungsstreik erklärt: Solidaritätserklärung der Mitgliederversammlung des DGB Tübingen
- Rita Haller-Haid (Tübinger Mitglied des Landtages für die SPD) äußert in einer Pressemitteilung zur Studiengebühren-„Umwidmung“ in der Medizin (siehe auch: Missbrauch von Studiengebühren) Verständnis für die Forderungen der Besetzung: PM Studiengebühren Rita Haller-Haid
Vollversammlung HEUTE 16 Uhr im Kupferbau
In Österreich sind in allen großen Unis die wichtigsten Hörsäle besetzt und eine selbstorganisierte Protestbewegung veranstaltet politische Diskussionen, kulturelles Programm und kreative Protestaktionen. Auch in Japan und den USA gibt es erste Besetzungen und sogar in Deutschland wurde mittlerweile Hörsäle besetzt. Heidelberg, Münster und Potsdam haben den Anfang gemacht und an unzähligen Unis rumort es. Und auch in Tübingen bewegt sich was – wer dabei sein will sollte heute zur Vollversammlung kommen:
16 Uhr im KUPFERBAU
Infos zum Bildungsstreik in Tübingen: http://www.tuewas.org
Infos zum Bildungsstreik bundesweit: http://www.bildungsstreik.net
Infos zu Protesten international:
- Österreichische Unis besetzt: http://www.unibrennt.at
- „Global Week of Action – Education is not for Sale“: http://www.emancipating-education-for-all.org/)
- Internationle Petition für freie Bildung: http://www.thepetitionsite.com/1/united-for-education
Wir freuen uns, dass jeder von Ihnen einen Sitzplatz hat.

Wie schon berichtet herrschen zur Zeit (unter anderem) in der Amerikanistik katastrophale Zustände. 700 neuimmatrikulierte Studierende in einer einzigen Vorlesung – das war für Prorektorin Steffanie Gropper, zuständig für Studium und Lehre, ein Anlass, sich bei den Studierendem zu entschuldigen. Auch Rektor Engler war anwesend, verließ aber den Saal, als ein lustiger Biber zur Tür hereinkam und sich auf eine Bank setzte.
Die Prorektorin blieb. Nachdem viele Studierende nach den Erfahrungen der letzten Woche gar nicht erst gekommen waren, begrüßte sie die verbliebenen: Wir freuen uns, dass jeder von Ihnen einen Sitzplatz hat!
Gropper erklärte den Studierenden, man habe neue Seminare eingerichtet, um dort auf eine akzeptable
Größe von 35 Studierenden zu kommen, zudem werde die Vorlesung in HS 22 übertragen. Auch versicherte sie, dass Pläne vorhanden seien, die den Studierenden ein vernünftiges
Weiterstudieren ermöglichen sollten.
Ungefragt trat danach ein Vertreter der FSVV ans Rednerpult. Es gibt keinen Plan,
widersprach er. Die Neuimmatrikulierten seien hierher gekommen, weil die Universität einen hervorragenden Ruf habe und müssten nun so etwas wie hier erleben. Lasst euch das nicht gefallen
, rief er, fordert ein, was man euch verspricht.
Er erinnerte die Anwesenden, dass es sowohl um die Zukunft der Studierenden gehe als auch um die der Universität und beschrieb, dass es schon unrealistisch sei, dass genügend Prüfer zur Verfügung stünden. Die Anwesenden applaudierten. Es gibt keinen Plan
, wiederholte er – man möchte hinzufügen: Keinen, der je öffentlich werden würde, denn aus den betroffenen Fächern war schon durchgesickert, dass das Rektorat von den Dozierenden erwartet, den Jahrgang ganz einfach klein zu prüfen.

Professor Tonn, der anschließend die Vorlesung hielt, ging mit keinem Wort auf die Probleme und seine Vorredner ein. Ob das die Angst vor der Politik des Rektorats ist, oder ob er schlicht die verlorene Zeit aufholen möchte, unterliegt Spekulationen. Vielleicht ist er aber auch schon jetzt in seiner Arbeit überlastet, denn das Institut läuft schließlich auf einem vielfachen seiner Kapazität. Wem es jetzt noch nicht klar ist: Es muss so einiges passieren. Der Biber nagt weiter an der Universitätspalme – und wenn die Studierenden nichts tun, wird sich daran nichts ändern.